Alle Fraktionen in Hungen sprechen sich gegen das Bürgerbegehren aus

5. Dezember 2018

Hungener Stadtverwaltung und die Stadtverordneten sprechen sich gegen das Bürgerbegehren gegen wiederkehrende Straßenbeiträge aus.

„Mit der Einführung der wiederkehrenden Straßenbeiträge wollen wir eine gerechtere Verteilung der Anliegerlasten erreichen. Bei einer Straßenerneuerung sollen die Kosten nicht nur auf die direkten Grundstückseigentümer, sondern auf einen größeren Abrechnungsbezirk verteilt werden. Mehrere Schultern können mehr tragen als einzelne.“ Mit diesen Worten des Stadtverordnetenvorstehers Karl-Ludwig Büttel nimmt die Stadt Hungen Stellung zum eingereichten Bürgerbegehren, das die Aufhebung eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung zum Ziel hat.
 
Ende November hatten die Initiatoren des Begehrens um Fabian Kraft 4280 Unterschriften überreicht, in dem sie die Rücknahme des Beschlusses der Stadtverordneten zur Einführung der wiederkehrenden Beiträge forderten. Damit überschritt das Begehren deutlich die notwendige Zahl von zehn Prozent der Wahlberechtigten, was knapp 1000 Unterschriften gewesen wären. Nach der Überprüfung der Zulässigkeit des Begehrens durch die Stadtverwaltung muss die Stadtverordnetenversammlung darüber entscheiden, ob sie sich dem Begehren anschließt. Sollten die Kommunalpolitiker dies nicht tun, käme es zu einem Bürgerentscheid, in dem die Hungener an der Wahlurne über die Frage „Sind Sie für die Aufhebung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hungen über die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge vom 27. September?“ abstimmen müssten.
 
„Zum Zeitpunkt der erstmaligen Beschlussfassung gab es für die Stadt Hungen nur die Möglichkeit, sich für einmalige oder wiederkehrende Straßenbeiträge zu entscheiden“, verdeutlicht der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph Fellner von Feldegg. „Wir konnten nur entscheiden, ob wir die direkten Anlieger der Baumaßnahme belasten und somit die Kosten auf wenige Grundstücke verteilen. Oder wir verteilen die Kosten auf mehrere Grundstücke, also überwiegend den Stadtteil. Dann müssen zwar alle zahlen, aber jeder zahlt deutlich weniger.“
 
Mit der Änderung des Kommunalen Abgabengesetzes im Juni 2018 wurde nun eine Wahlmöglichkeit geschaffen. Kommunen müssen nun überhaupt keine Straßenbeiträge mehr erheben. Unabhängig davon müssen sie aber ihren Haushalt ausgleichen. Die Pflicht zur Beitragserhebung für den kommunalen Straßenausbau ist entfallen. „Diese Wahlmöglichkeit wurde kurz vor der Landtagswahl von der Regierungskoalition auf Vorschlag der oppositionellen FDP geschaffen. Nach meiner Auffassung sollte damit den Kommunen der Schwarze Peter zugeschoben werden“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Heiko Reinhold Fritz.
 
Laut dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Norbert Marsfelde haben es sich alle Fraktionen im Vorfeld der Entscheidungen nicht leicht gemacht und hätten liebend gern auf eine Erhebung von Straßenbeiträgen in jeglicher Form verzichtet. „Aufgrund unserer weiterhin angespannten Haushaltslage und den Auflagen des Schutzschirmes und der Hessenkasse können wir nicht einfach auf die Beitragseinnahmen verzichten. Natürlich sieht es ganz anders aus, wenn das Land Hessen die entsprechenden Finanzmittel als Ausgleich für die Beitragseinnahmen zur Verfügung stellt. Alle vier Fraktionen wollen dann die Straßenbeiträge abschaffen.“
 
„Nachdem zwischenzeitlich die größte Anzahl der Erhebungsbögen von den Grundstückseigentümern ausgefüllt an die Stadt zurückgesandt wurden, können wir nun auch erste Berechnungsbeispiele erläutern“, stellt Bürgermeister Rainer Wengorsch erste Zahlen für Villingen und die Kernstadt vor. In Villingen ist die Erneuerung der „Königstraße“ mit Kosten von 405 000 Euro geplant. Dies würde bei einmaligen Beiträgen einen Beitragssatz von 38 Euro pro Quadratmeter Veranlagungsfläche bedeuten. Laut Wengorsch würde damit die durchschnittliche Beitragslast der Grundstücke der „Königstraße“ zwischen 20 000 und 40 000 Euro liegen. Darüber hinaus ist in Villingen im Zeitraum von 2019 bis 2023 auch die Erneuerung „Höhenstraße“ vorgesehen. „Verteilt man die Kosten beider Baumaßnahmen aber auf alle Grundstücke im Stadtteil auf einen fünfjährigen Abrechnungszeitraum erhält man einen wiederkehrenden Beitragssatz von etwa 19 Cent pro Quadratmeter beitragsrelevanter Fläche pro Jahr. Damit würde die jährliche Gebühr bei beispielhaften Grundstücken zwischen 95 Euro für eingeschossige Wohngebäude mit 500 Quadratmetern Grundstücksfläche und 285 Euro für ein 1000 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück, das mit zwei Vollgeschossen bebaut ist.
 
In der Kernstadt Hungen würde für die Erneuerung der „Friedbergerstraße“ vom Bahnübergang bis zur Straße „Am Grenzwall“ gemäß aktueller Kostenermittlung bei einmaligen Straßenausbaubeiträgen ein Beitragssatz von etwa 35 Euro pro Quadratmeter beitragsrelevanter Fläche entstehen. Für ein Grundstück mit einer Fläche von rund 600 Quadratmetern wäre ein Beitrag in Höhe von etwa 21 000 Euro zu erwarten. Das Bauprogramm für Hungen sieht zudem die Erneuerung der „Moltkestraße“ vor. Der modellhaft berechnete wiederkehrende fünfjährige Beitragssatz dieser beiden Maßnahmen beträgt nach Auskunft der Stadtverwaltung etwa 9 Cent pro Quadratmeter für das Abrechnungsgebiet in der Kernstadt. Damit würden die wiederkehrenden Jahresbeiträge für die Kernstadt für den Abrechnungszeitraum 2019 bis 2023 in etwa zwischen 45 Euro bei einem Wohngrundstück von 500 Quadratmetern und 135 Euro für ein 1000 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück mit zweigeschossiger Bebauung liegen. Wengorsch weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Straßenbeitrag nur für laufende Baumaßnahmen und nur in den Stadtteilen erhoben wird, in denen Baumaßnahmen durchgeführt werden. Erfolgt kein Straßenbau in einem Abrechnungsgebiet, wird auch kein wiederkehrender Beitrag erhoben. Beitragspflichtig sind auch nur die Grundstücke in einem Abrechnungsgebiet, die nicht in den zurückliegenden bis zu 25 Jahren Erschließungs- oder Straßenbeiträge gezahlt wurden.
 
Eine Finanzierung des Straßenbaus über eine Grundsteuererhöhung führt für Wengorsch auch zu einer erhöhten Belastung der Grundstückseigentümer. Außerdem müssten auch die Grundstückseigentümer die Erhöhung der Grundsteuer zahlen, die beitragsrechtlich zu verschonen sind.
 
Der Rathauschef weist abschließend darauf hin, dass „die Kosten für die Einführung der wiederkehrenden Straßenbeiträge weder die Beitragszahler noch die Stadt Hungen finanziell belasten werden“. Diese Kosten werden durch eine Förderung des Landes abgedeckt.
 
Wolfgang Macht, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grüne begrüßt den Vorschlag des Bürgermeisters, einen Beitragsrechner auf der Internetseite der Stadt einzustellen: „Dann kann sich jeder anhand eines vorgegebenen Beispiels seinen Beitragssatz errechnen.“
(Quelle: Gießener Anzeiger, 04.12.2018)

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